Airbus 380
Warnung vor Sicherheitsrisiko
WDR, Dienstag, 4. Oktober 2005
Von C. Sonnet/T. v. Beveren
Im Flugzeug kann man auch in
mehreren tausend Metern Höhe gut atmen. Allerdings nur deswegen, weil
ein Kabinendrucksystem die Luft filtert, die Temperatur regelt und den
Druck ausgleicht. Im Riesenflieger A380 soll ein völlig neu
konstruiertes System diese Aufgabe übernehmen. Doch es gibt Probleme:
Angeblich ist es nicht hundertprozentig sicher. Das behauptet zumindest
der Ingenieur, der bei der österreichischen Firma TTTech für die
Zulassung des Systems verantwortlich war.
Joseph Mangan ist
Amerikaner und lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Wien. Durch
seine Vorwürfe bereitet er nicht nur seinem ehemaligen Arbeitgeber
TTTech Kopfschmerzen, sondern auch dessen Auftraggeber, dem Frankfurter
Hersteller von Kabinendruck-Systemen, Nord Micro sowie Airbus. Der
Flugzeughersteller weist jedoch alle Vorwürfe Mangans zurück. In einer
schriftlichen Stellungnahme aus der Airbus-Firmenzentrale in Toulouse
heißt es: „Die Behauptungen von Joe Mangan sind nicht neu. Alle damit
im Zusammenhang stehenden Sachverhalte sind von Airbus, den Zulieferern
sowie den Zulassungsbehörden eingehend untersucht worden. Diese
Beteiligten haben damit sichergestellt, dass das von Joe Mangan
dargestellte Szenarium eines Sicherheitsdefizits nicht existiert und
die angesprochene Komponente genauso wie die A380 insgesamt allen
Zulassungsvorschriften entsprechen und damit die jüngsten und
strengsten Sicherheitsvorschriften erfüllen wird. Daher gibt es keinen
besonderen Grund, wegen des Kabinendruck-Systems der A380
Sicherheitsbedenken zu haben. Sicherheit genießt bei der A380, genauso
wie bei allen anderen Verkehrsflugzeugen auch, oberste Priorität.“
Testergebnisse offenbaren Fehler
Nicht neu sind die Vorwürfe Mangans
vor allem, weil der Luftfahrtingenieur Joseph Mangan bereits vor über
einem Jahr auf Probleme hinwies, die seiner Meinung nach die Sicherheit
der Passagiere gefährden können. Der Druck in der Flugzeugkabine wird
über Auslassventile an der Unterseite des Flugzeugs geregelt. Sie sind
immer nur so weit geöffnet, dass die Luft angenehm zum Atmen ist und es
nicht zu kalt wird.
Mangan stieß bei Durchsicht der
Zulassungsunterlagen auf Testergebnisse, die gravierende Fehler im
System offenbaren. So können alle Auslassventile gleichzeitig
vollständig aufgehen. Das führt zu einem rapiden Druckverlust. Wenn die
Passagiere es nicht schaffen, ihre Sauerstoffmasken schnell genug
aufzusetzen, hätte das schwerwiegende Folgen: Sie würden bewusstlos, es
bestünde Lebensgefahr.
Die meisten anderen Flugzeuge haben ein
zweites unabhängiges System oder manuelle Sicherungen, die ein
vollständiges Öffnen der Ventile im Reiseflug verhindern - die neue
A380 nicht. Auf diese Gefahr hat Joe Mangan die Firmen TTTech und Nord
Micro hingewiesen. Aber statt sich bei ihm zu bedanken, hat TTTech ihn
fristlos entlassen. Mit einer einstweiligen Verfügung wollten sie ihn
sogar daran hindern, über seine Bedenken zu sprechen. Begründung: Es
handele sich um „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“.
Experten teilen Bedenken
[plusminus hat die Vorwürfe
von unabhängigen Experten prüfen lassen. „Ich teile die Bedenken von
Herrn Mangan bezüglich der Sicherheit des Systems“, sagt Professor
Rüdiger Haas, Luftfahrtsachverständiger und Hochschulprofessor für
Flugzeugbau. „Dieses System weicht wirklich von der bisherigen
Ausführungsform im Flugzeugbau deutlich ab. Das übliche
Konstruktionssystem ‚fail-safe’ ist hier nicht gegeben. ‚Fail safe’
bedeutet, dass bei Ausfall eines Systems ein anderes oder ein
Ersatzsystem diese Funktion übernehmen muss.“ Professor Haas ist der
Meinung, dass es nicht legitim ist, jemanden, der solche Bedenken hat,
an seiner Aussage zu hindern: „Im Gegenteil: Im Endeffekt können davon
Leben abhängen.“
Joseph Mangan hat sich nicht mundtot machen
lassen. Aber in der Luftfahrtbranche stellt ihn keiner mehr ein, bis
die Sache aus der Welt geschafft ist. Seit einem Jahr ist er
arbeitslos. „Wir sind bankrott. Im Moment bezahlt unsere Kirche uns
das, was wir zum Überleben brauchen“, sagt er [plusminus. Weil
Mangan mehrfach gegen die einstweilige Verfügung des Landesgerichts
Wien verstieß, könnte er jetzt in Österreich sogar verhaftet werden.
EASA prüft Vorwürfe
Airbus-Konkurrent Boeing hat das
gleiche Kabinendrucksystem für seinen Dreamliner (Boeing 787) bestellt,
allerdings nach bekannt werden der Vorwürfe eine erhebliche Änderung
eingefordert: „Bei uns wird es eine mechanische Sicherung an den
Auslassventilen geben, damit die Piloten im Notfall eine Fehlfunktion
des Computers korrigieren können.“ Den Amerikanern ist das System, so
wie Airbus es zu verwenden beabsichtigt, nicht sicher genug. Sollten
weitere Modifikationen aufgrund von Mangans Vorwürfen notwendig werden,
könnte sich die ohnehin verspätete Auslieferung des europäischen
Riesenflugzeugs noch weiter verzögern. Airbus müsste den Erstkunden
hohe Entschädigungen zahlen.
Wegen der gegen ihn erwirkten
gerichtlichen Verfügung darf Joe Mangan noch nicht mal mit der
Zertifizierungsbehörde EASA (European Aviation Safety Agency) in Köln
über seine Bedenken sprechen. Die europäische Flugsicherheitsagentur
muss die A380 nächstes Jahr für den Passagierverkehr zulassen.
Aufgrund der Recherchen von [plusminus
überprüft die EASA nun erneut die Vorwürfe des Amerikaners. Auch
Europäische Parlamentarier wünschen eine lückenlose Aufklärung. Die
Österreicherin Eva Lichtenberger (MEP) ist Mitglied im
Verkehrsausschuss: „Gerade bei einem bedeutenden Projekt wie dem Airbus
A380 ist es dringend geboten, jeglichem Verdacht einer Sicherheitslücke
nachzugehen und alle Zweifel auszuräumen.“
Weitere Informationen:
Dieser Text gibt den
Fernsehbeitrag vom 04.10.2005 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen
des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
|
|
|