von Frank Seidlitz
Düsseldorf - Der insolvente Leverkusener Fotofilmhersteller Agfa Photo wird möglicherweise noch in dieser Woche einen ersten Schritt zur Stabilisierung seiner Finanzen erreichen. Nach Informationen der Welt steht der vorläufige Insolvenzverwalter Andreas Ringstmeier kurz vor einer Einigung mit Banken über die Zahlung eines Überbrückungskredites für die nächsten Monate. "Damit könnte die Produktion und der Vertrieb aufrechterhalten werden - eine wichtige Voraussetzung für die Fortsetzung des Unternehmens", heißt es aus dem Verhandlungsumfeld. Zudem ist ein kleiner Teil des Geldes des insolventen Unternehmens, das mehrheitlich dem Management und Finanzinvestoren gehört, gefunden worden: Mehrere Millionen lagern auf Konten der früheren Agfa-Mutter.
Die genauen Umstände der Unternehmens-Pleite werden am heutigen Mittwoch auch den Aufsichtsrat beschäftigen. Noch ist unklar, wie innerhalb von sechs Monaten nicht nur die Barreserven von 72 Mio. Euro, sondern auch das Eigenkapital von 300 Mio. Euro verbraucht werden konnten. "Der vorläufige Insolvenzverwalter ermittelt in alle Richtungen", sagt ein Unternehmenssprecher. Die Konten-Sperrung allein ist nur ein Aspekt der Zahlungsunfähigkeit. Eine vorsätzliche Pleite, wie bei Arbeitnehmern gemutmaßt wird, wollte der Sprecher nicht bestätigen. Allerdings seien noch nicht alle Unterlagen gesichtet worden.
Es kristallisiert sich aber immer mehr heraus, daß der Mehrheitsaktionär und Geschäftsf�hrer der Nanno Beteiligungsholding, Hartmut Emans, die Hauptschuld für die Pleite trägt. Neben einem Streit mit dem belgischen Agfa-Konzern über die genaue Höhe des Kaufpreises soll er sich auch immer wieder in das operative Geschäft eingemischt und über den Kopf der Geschäftsführer hinwegregiert haben. "Dadurch kam es teilweise zu kontraproduktiven Entscheidungen", so ein Mitarbeiter. Unüblicherweise hatte er sich auch ein Büro bei der Holding-Gesellschaft in Köln, wo auch der Vertrieb residiert, einrichten lassen. Die Agfa Photo Holding ist mit 100 Prozent an der Agfa Photo GmbH beteiligt, in der alle Produktionsaktivit�ten gebündelt worden sind. Die Kölner Holding, die auch die wertvollen Markenrechte hält, ist vorerst von der Insolvenz der Leverkusener Tochter nicht betroffen.
Forciert haben könnte die Zahlungsunfähigkeit aber auch der Streit zwischen dem belgischen Agfa-Konzern und Emans über den genauen Kaufpreis. Vereinbart war eine Summe von zuerst 175 Mio. Euro, von denen 112 Mio. Euro durch einen Kredit von Agfa-Gevaert an die Käufer vorfinanziert wurde. Innerhalb von vier Jahren sollte der Kredit getilgt werden - und zwar von Agfa Photo selbst, was einem Leverage-Buyout entspricht. Doch Mehrheitsaktionär Emans wollte den Preis deutlich drücken. Daher ist bis heute auch noch keine Eröffnungsbilanz erstellt worden.
Mitte Mai sollen nun die Unstimmigkeiten zwischen dem Agfa-Konzern und Emans eskaliert sein. Daraufhin stoppten die Belgier mehrere Überweisungen der Leverkusener Auslandstöchter, die immer noch über Konten der früheren Mutter gelaufen sind. Die Summe beläuft sich auf einen zweistelligen Millionen-Betrag.
Emans Vorgehen bei Agfa erinnert stark an seine mißglückten Beteiligungsversuche Anfang der 90er in Ostdeutschland. Als McKinsey-Direktor beriet er seinerzeit die Treuhand-Anstalt bei der Privatisierung des DDR-Verm�gens und hatte so fast schon uneingeschränkten Einblick in interne Vermögensunterlagen. 1992 �bernahm er dann die "VEB Elektroprojekt und Anlagenbau" (Elpro) in Ostberlin mit einem Immobilienvermögen von 200 Mio. DM und einem Gewinn von fünf Mio. DM zu einem Spottpreis, nachdem er vorher durch eigene Gutachten den Verkaufspreis niedrig angesetzt haben soll. Weitere Investments folgten. Keine fünf Jahre später gingen mehrere Firmen pleite (Berliner Luft/ Kombinat Technische Gebäudeausrüstung), andere rettete die Treuhand-Nachfolge-Anstalt kurz vor der Insolvenz. Juristisch wurde Emans allerdings bislang nicht belangt.