Brandenburger Arztpraxen: Arbeiten ohne Einkommen


Zitat aus der Märkischen Allgemeinen, 15. November 2005, S.11:

Zu "Die ersten Ärzte geben auf", 3. 11., S.7
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Existenzbedrohende Umsatzeinbußen

In den letzten Tagen häufen sich die Berichte über Brandenburger Facharztpraxen, die wirtschaftlich vor dem Ruin stehen. Und das, obwohl die durchschnittliche jährliche Patientenzahl einer Arztpraxis in den neuen Bundesländern bei 135 Prozent der Patientenzahl im Alt-Bundesgebiet liegt!

Die chronische Unterfinanzierung der ambulanten Medizin in den neuen Bundesländern (700 Millionen Euro fehlen den neuen Ländern jährlich im Vergleich zum Altbundesgebiet) hat jetzt in Verbindung mit der Einführung eines neuen Systems zur Honorarberechnung der Ärzte im Land Brandenburg zum Kollaps geführt. Von 57 befragten HNO-Praxen im Land hat die Hälfte der Praxen existenzbedrohende Umsatzverluste von über 15 bis zu 35 Prozent um Vergleich zum Vorjahreszeitraum. (Das ist der Umsatz, nicht das Einkommen, d.h. nach Abzug der Praxisausgaben bleibt nicht selten kein Einkommen mehr übrig.) Dabei haben die HNO-Praxen im Durchschnitt nicht weniger, sondern mehr Patienten als im Vorjahr behandelt! Wenn nicht schnell eine Lösung erfolgt, werden diese Praxen schließen müssen. Brandenburg ist ohnehin das Bundesland mit der geringsten Arztdichte, das heißt der größten Zahl Einwohner je berufstätigem Arzt. Im Vergleich zum Vorjahr fehlen in Brandenburg in jedem Quartal fünf Millionen Euro für die ambulante Medizin, weil, laut Gesetz, die Krankenkassen ein Prozent der ohnehin zu geringen Gesamtvergütung einbehalten können, um in ihrem Nutzen noch nicht überprüfte Projekte der "Integrativen Versorgung" zu bezahlen und weil die Krankenkassen für 42 000 Arbeitslosengeld-II-Empfänger in Brandenburg kein Honorar mehr bezahlen. Beides sind Folgen politischer Entscheidungen, die weder die Ärzte noch die Krankenkassen zu verantworten haben!

Dennoch fehlt es auf Seiten politischer Entscheidungsträger an jeglichem Problembewußtsein. Wenn Praxen aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden müssen, findet sich auch kein Nachfolger. Das heißt für ein Flächenland wie Brandenburg, dessen Einwohner für ärztliche Behandlung weite Wege und extreme Wartezeiten inkauf nehmen müssen: Die Qualität der ambulanten ärztlichen Versorgung sinkt, und die Kosten für die Krankenkassen steigen, da vermehrt Behandlungen auf Krankenhausstationen als Ersatz für fehlende ambulante fachärztliche Betreuung anfallen. Für die Hälfte der HNO-Praxen und etliche andere Brandenburger Facharztpraxen steht die Existenz auf Messers Schneide: Eine schnelle Lösung muß her!

Dr. Gerald E. Gronke, Blanken-
felde, Deutscher Berufsver-
band der HNO-Ärzte, Landes-
vorsitzender Brandenburg



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