Bürger für mehr Demokratie in Bayern

Mehr Demokratie e.V.
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Zitat aus der Süddeutschen Zeitung, 7. Dezember 1999, S.48:

Aktion "Mehr Demokratie" rechnet mit vier Volksbegehren

Der März soll zum "Monat der Bürger" werden

"Bessere Schulreform", "Schutz des Bürgerentscheids", "Faire Volksrechte", "Unabhängige Richter" als Themen

Von Hannes Krill

München - Der nächste März soll nach dem Willen der Bürgeraktion "Mehr Demokratie" ganz zum "Monat der Bürger werden". Dann sollen - möglichst in einem Zug - insgesamt vier Volksbegehren stattfinden: Zwei haben das Ziel, den direkten Einfluß der Bürger auf die Politik zu stärken, im dritten wird die Wahl der bayerischen Verfassungsrichter mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefordert, und das vierte will - wie berichtet - die geplante Schulreform der Staatsregierung stoppen (siehe auch Berichte rechts und unten).

Das Volksbegehren "Die bessere Schulreform" hatten die Initiatoren - ein breites Bündnis aus Eltern, Lehrerverbänden, der Landtags-Opposition und des DGB - bereits am vergangenen Freitag beantragt und dem Innenministerium mehr als 86 000 Unterschriften übergeben. Gestern legte auch die Bürgeraktion "Mehr Demokratie" dem Ministerium die für ihre drei Volksbegehren notwendigen Unterschriften vor, insgesamt 85 000 - "ein Nikolaus-Geschenk der besonderen Art", wie sich Vertrauensmann Andreas Meisterernst vor der Übergabe freute. SPD, Grüne und ÖDP, aber auch zahlreiche Verbände und Vereine unterstützen die drei Volksbegehren der Bürgeraktion.

Sie startet die Volksbegehren auch deshalb, weil der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VGH) und die CSU das Ergebnis eines erfolgreichen Volksentscheids von 1995 korrigiert hatten. Damals war der Bürgerentscheid auf kommunaler Ebene eingeführt worden. Die Bevölkerung hatte entschieden, daß für einen Erfolg solcher Bürgerentscheide die einfache Mehrheit der Stimmen reicht und der Gemeinderat drei Jahre an dieses Votum gebunden ist. Doch der VGH erklärte diese Regelung im Sommer 1997 für verfassungswidrig.

CSU und Staatsregierung setzten daraufhin im März 1999 ein gestaffeltes Zustimmungsquorum durch. Seither hat ein Bürgerentscheid nur Erfolg, wenn in Gemeinden unter 50 000 Einwohnern 20 Prozent der Wahlberechtigten, in Gemeinden zwischen 50 000 und 100 000 Einwohnern 15 Prozent und in Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern zehn Prozent der Wahlberechtigten zustimmen. Die Bindungsfrist für die Gemeinderäte wurde auf ein Jahr beschränkt.

Diese Eingriffe stellen nach Ansicht der Bürgeraktion eine "krasse Mißachtung des Bürgerwillens" dar. "Wegen der CSU-Klauseln wandert inzwischen jedes zweite Bürgervotum in den Papierkorb", sagte Maria Scharl, die Vertrauensfrau des Volksbegehrens "Schutz des Bürgerentscheids". Welch "absurde Folgen" die Klauseln mitunter haben, verdeutlichte Scharl am beispiel Ansbachs. Dort war jüngst ein Bürgerentscheid für ungültig erklärt worden, weil weniger als 20 Prozent aller Wahlberechtigten abgestimmt hatten. 63 Prozent der Wahlgänger hatten gegen die Privatisierung der Stadtwerke gestimmt, nur knapp 37 Prozent waren dafür. Doch die Minderheit ist jetzt Sieger. Die Stadtwerke könne privatisiert werden. "Das stellt unsere Demokratie auf den Kopf", schimpfte Vertrauensfrau Scharl. Das Volksbegehren "Schutz des Bürgerentscheids" will deshalb die Zustimmungsquoren wieden abschaffen.

"Längs überfällig" ist nach Meinung der Bürgeraktion "Mehr Demokratie" auch die Liberalisierung der Volksgesetzgebung selbst. Dafür soll das Volksbegehren "Faire Volksrechte im Land" sorgen. Vertrauensmann Tim Weber sagte: "Die Menschen wollen den Politikern auch zwischen den Wahlen sagen, wo es politisch langgeht." Dies hätten zuletzt die Volksentscheide über die Einführung des Bürgerentscheids und die Abschaffung des Senats gezeigt. Weber: "Obwohl die Staatsregierung bei Wahlen stets bestätigt wurde, stimmten die Bürger in einer Wahlperiode zweimal gegen die Staatsregierung." In 53 Jahren seien zwar 21 Volksbegehren beantragt worden. Es sei aber nur zu sechs Volksentscheiden gekommen. Die Volksgesetzgebung müsse deshalb erweitert und erleichtert werden.

Mit dem dritten Volksbegehren - "Unabhängige Richterinnen und Richter in Bayern" - will die Bürgeraktion das "Durchgreifen der Parteien" auf die Rechtsprechung verhindern. Vertrauensmann Andreas Meisterernst kritisierte, der VGH sei zu "regierungsfromm", weil die Richter vom Landtag mit einfacher Mehrheit gewählt werden. "Urteile der Verfassungsrichter entsprechen deshalb immer wieder mehr den Forderungen der Regierungspartei als der Verfassung", monierte Meisterernst.

Die Bürgeraktion rechnet damit, daß das Innenministerium etwa bis Ende Januar brauchen wird, um zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung ihrer drei Initiativen erfüllt sind. Das Ministeriumsagte die "zügige Prüfung" zu. Damit es zu den geplanten Volksentscheiden kommt, müssen sich dann binnen zwei Wochen jeweils zehn Prozent der Stimmberechtigten, also bei jedem Volksbegehren rund 900 000 Wahlberechtigte, in die Listen eintragen.


Zitat aus der Süddeutschen Zeitung, 7. Dezember 1999, S.48:

Das Volk soll es als Gesetzgeber künftig leichter haben

Bürgeraktion will mit Plebisziten die Fesseln sprengen, die Verfassungsgerichtshof und CSU festgezurrt haben

MÜNCHEN (-ill) - Mit drei Volksbegehren will die Bürgeraktion "Mehr Demokratie" die Volksgesetzgebung und die Unabhängigkeit der bayerischen Verfassungsrichter stärken. Das sind die wesentlichen Ziele der einzelnen Initiativen:

◊ Das Volksbegehren "Schutz des Bürgerentscheids" will die Mitspracherechte auf kommunaler Ebene sichern, die sich die Bürgerinnen und Bürger 1995 per Volksentscheid selbst erkämpft hatten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof und die Landtags-CSU hatten sie 1997 und zuletzt im März 1999 eingeschränkt. Für einen Erfolh von Bürgerentscheiden soll künftig wieder die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen reichen. Stimmenthaltungen sollen nicht mehr zu Nein-Stimmen erklärt werden. Die Bevölkerung soll die Durchsetzung des per Entscheid dokumentierten Bürgerwillens vor Gericht einklagen dürfen. Das "Mehrheitsprinzip" soll die "undemokratischen Klauseln" der CSU verdrängen.

◊ Das Volksbegehren "Faire Volksrechte im Land" will die derzeit geltenden Beschränkungen für Volksbegehren und Volksentscheid lockern. So soll es für die Zulassung einesabschließenden Volksentscheids künftig unter anderem genügen, wenn fünf statt wie bisher zehn Prozent der Bürger das Anliegen mit ihrer Unterschrift in die Unterstützerlisten befürworten. Ferner soll die Bevölkerung in Zukunft auch über Investitionsvorhaben und damit über Haushaltsfragen abstimmen dürfen, die beispielsweise eine ICE-Trasse oder den umstrittenen Donau-Ausbau betreffen. Auch bei Volksentscheiden soll wieder das in der bayerischen Verfassung verankerte Mehrheitsprinzip ("Mehrheit entscheidet") gelten, ganz nach dem Motto: "Wer wählt, der zählt". Der VGH hatte am 17. September anders entschieden. Seither ist für eine erfolgreiche Verfassungsinitiative eine Zustimmungsquote von mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten nötig.

◊ Das Volksbegehren "Unabhängige Richterinnen und Richter" soll die Abhängigkeit der bayerischen Verfassungsrichter vom Wohlwollen der CSU verringern. Statt mit einfacher Mehrheit sollen sie künftig vom Landtag mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt werden. Auf diese Weise will die Bürgeraktion "Mehr Demokratie" erreichen, daß nur solche Richter in den VGH berufen werden, die parteiübergreifend hohes Ansehen genießen. Bei der Rechtsprechung des VGH dürfe der Einfluß der Parteien keine Rolle spielen, es dürfe nicht einmal der Anschein von Abhängigkeit entstehen, fordern die Initiatoren.

Über die Bestellung von Verfassungsrichtern soll künftig nicht das bayerische Innenministerium allein, sondern zusammen mit einem Richterwahlausschuß entscheiden. Dem Ausschuß soll ein Veto-Recht eingeräumt werden.


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