von Gideon Heimann
Ob die Diskussion um den Ausbau der Elbe wohl irgendwann zu einem Ende kommt? Und falls doch, dann sicher im Streit. Denn es gibt Probleme, die sind nicht zum Wohlgefallen aller zu lösen, obschon alle mit dem besten Willen an die Sache herangegangen sind. Jeder hat Schritte gemacht, sogar auf den anderen zu, aber jetzt müßte schon gejoggt werden. Das zeigte sich jüngst auf dem dritten Elbe-Colloqium in Magdeburg.
Begonnen hatte alles vor rund sechs Jahren, als der Versandhauschef Michael Otto eine Stiftung schuf. Mit den Mitteln wurden die Diskussionen, die zuvor auf unterer Ebene zwischen Wasser- und Schiffahrtsverwaltung und den Umweltgruppen um die Zukunft des Flusses geführt wurden, deutlich aufgewertet. Zu den Colloquien kommen sogar die jeweils amtierenden Bundesverkehrsminister, diesmal Franz Müntefering.
Vor drei Jahren schlossen die Gruppen mit dem Bundesverkehrsministerium eine Elbe-Erklärung ab, die die Ziele vorgab, wie man den Verkehrsbedarf auf dem Strom mit dem Umweltschutz vereinbaren k�nnte. Seitdem wurde viel geschrieben, auch viel ehrenamtliche Arbeit geleistet, es gibt sogar ein Richtlinienpapier des Bundesamts für Gewässerkunde. Nur effektiv geschehen ist nicht allzuviel. Und nun? Nun wird vom Bundesverkehrsministerium erneut geprüft, allerdings vor allem aus Geldmangel. Alle Punkte des Bundesverkehrswegeplans 1992 stehen zur Disposition - vorläufig gestrichen wurde ja bereits die Schnellbahn-Verbindung (ICE) zwischen Berlin und München.
Zurück zur Elbe: Eigentlich ist man ja gar nicht so weit voneinander entfernt. Um das Stück südlich Magdeburgs wird gar nicht mehr gestritten, nur am Flußlauf nördlich der Stadt bis Lauenburg gibt es drei Problemzonen. Würden sie beseitigt, dann wären die Binnenschiffer zufrieden. Denn sie hätten dann auch bei Niedrigwasser eine Abladetiefe für die Schiffe und Leichter ("Kähne" ohne Motor, die von Schubschiffen bewegt werden), mit der sie leben könnten. Aber darunter ist eben auch eine "Reststrecke" von 13 Kilometern (bei Dömitz, nordwestlich von Wittenberge), die seit 1935 der Vertiefung harrt. Sie wird zum "Knackpunkt für die Umweltgruppen, denn sollte da gebaggert werden, sehen sie die Grundlage der Erklärung zerstört, hieß es.
Das Böse an so vielen guten Leuten ist, daß man den Schuft nicht ausmachen kann, der zu einer solchen Dramaturgie einfach dazugehört. Aber ein bißchen schlitzohrig sind sie alle. Die Umweltgruppen haben "Nebenkriegsschaupl�tze" mitgebracht. Sie handeln zum Beispiel von Totholz, das an den Ufern absprachewidrig beseitigt worden ist, und das für die Naturentwicklung unbedingt vonnöten ist. Diese Schauplätze sind natürlich nett verpackt, in kleinen Kistchen, sozusagen. Dann wird nur kurz der Deckel gelupft: "Seht her, hier isser, aber wir werden ihn natürlich nicht aufmachen, denn wir sind ja konzessionsbereit."
Die an der Binnenschiffahrt Interessierten hingegen - das sind Reeder und Vertreter der Industrie- und Handelskammern (IHK) - verweisen auf den schwunghaften Aufstieg, den dieser Verkehrszweig in den neuen Ländern gemacht habe. In diesem Jahr sind (bis Ende Juni) sogar 5000 Container unterwegs gewesen, wird vorgetragen. Nun, ein Container der 20-Fu�-Klasse darf maximal 30 Gewichtstonnen umhüllen, also etwa so viel, wie ein herkömmlicher Lastwagen wegschleppt. Nur, 5000 Lastwagen, die knallen in ein bis zwei Nächten den Berliner Ring entlang - also überaus prall wäre dieses Ergebnis für ein halbes Jahr nun auch wieder nicht.
Zu jedem "ja" gehört auch ein "aber". Verständlich, wo keine Schiffe fahren k�nnen (oder nur unter so erschwerten Bedingungen, daß es sich nicht lohnt), sind auch keine immensen Steigerungsraten zu erwarten. Und so behaupten die einen: "Baut und ihr werdet es sehen", während die andern mit ebensoviel oder -sowenig Berechtigung kontern: "Das sind Phantasiezahlen. Die f�r die Binnenschiffahrt interessante Wirtschaft sitzt am Rhein und nicht (mehr) an der Elbe."
Der Verlierer, so scheint's, wird die Umwelt sein, in jedem Fall. Wird die Elbe ausgebaut, ist sie das Opfer, sagen die einen. Wird sie nicht ausgebaut, und kommen demnächst Tschechien, Ungarn und Polen zur EU, dann wird sich das ganze Transportvolumen auf den Straßen abspielen - schlecht für die Umwelt andernorts (was Müntefering ausdr�cklich verhindern will). Deutschland ist dann halt in der Mitte der Union, nicht mehr am Rande, gab IHK-Vertreter Klaus-Peter Hennig zu bedenken.
Kommen wir zum Dritten im Kampfe, der sich nach Einschätzung von Thomas Kohl als "Schiedsrichter" begreift. Kohl ist Ministerialdirigent im Bundesverkehrsministerium, er bildet also eine Schnittstelle zwischen politischer Führung und ausführender Verwaltung. Aber auch das ist nicht ganz so neutral zu sehen. Denn die Politik entscheidet über die Geldvergabe, also über die Größe und die Form der "Kampfarena" - und somit letztlich über die Inhalte des Kampfes.
Und damit ist der Elbe-Seitenkanal im Spiel. Er beginnt etwa 35 Kilometer westlich von Magdeburg, zweigt vom Mittellandkanal ab und führt hoch bis kurz vor Lauenburg. Er wird instandgesetzt, eine Schleuse von 100 auf 105 Meter erweitert. Heißt das nun die "Reststrecke" könnte auf ewig eine solche bleiben, die Elbe nördlich Magdeburgs würde für die Schiffe gar nicht gebraucht? Nicht ganz. Der Elbe-Seitenkanal reicht nämlich (nach dem Umbau 2001) nur für Großmotorschiffe, nicht f�r Schubverbände, wenn sie rationell und kostengünstig fahren sollen. Auf der Elbe könnten nach dem Ausbau bis zu zehn Leichter geschoben werden, die insgesamt bis zu 360 Container transportieren können. Durch den Seitenkanal jedoch passen nur Verbände für insgesamt 96 Container, sagt Hans-Wilhelm Düner, Präsident der Europäischen Fluß-See-Schiffarts-Union. Die Schleuse wäre zu klein, und die Brücken sind für einen dreilagigen Containerstapel zu flach. So sitzt eben auch der "Schiedrichter" Politik in der Klemme, weil man aus dem Kanal keinen echten Elbe-Ersatz schaffen kann.
Ähnlich gelagert ist der Streit um den Unterlauf der Havel und um die Saale (bis südlich von Halle). Auch hier stoßen sich die Interessen böse - wieder mit nachvollziehbaren Argumenten beider Seiten.
Und was weiter? Da Jochen Flasbarth, Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) für ein Gespräch mit uns trotz mehrfacher Bitten keine Zeit hatte. fragten wir einfach mal im Auditorium herum. "Na was?" entgegnet ein Spötter verschmitzt. "Solange diskutiert und Papier vollgeschrieben wird, wird auch nicht gebaut, also Zeit gewonnen. So einfach ist das."
Unterm Strich ist's eigentlich schade, denn das Binnenschiff steht im Vergleich der Transportarten ökologisch und ökonomisch nicht schlecht da (wenn man mal von den Umbauten absieht, die es erst fahren lassen). Müntefering forderte die Beteiligten daher auf, den potentiellen Kunden schon jetzt "den roten Teppich auszurollen", sich mit aller Vehemenz dem Kombiverkehr wenigstens dort zu widmen, wo es bereits geht. Dann wäre das Schiff f�r die langen, die Bahn f�r die langen und mittleren und der Lastwagen für die kürzeren Strecken zuständig.
Derzeit krankt diese Aufteilung an vielem, wobei auch die Bahn nicht ungeschoren davonkommt. Ihr werden Unzuverlässigkeit und zu hohe Tarife vorgeworfen. Ob Münteferings Ziel erreicht wird, hängt auch davon ab, wie teuer der Lastwagen durch die beabsichtigte wegeabh�ngige Straßenbenutzungsgebühr wird. Genaueres soll zum Jahreswechsel bekanntgegeben werden. Was das der Elbe bringt? Man wird sehen.
von Christian Staas
Schlammig braunes Wasser schwappte durch den Dresdner Hauptbahnhof, ganze Häuser trieben die Elbe hinab. Nun, ein Jahr später, ist die Elbe nur noch ein Rinnsal - die Sonne brennt vom Himmel. Ideales Wetter, um über Hochwasserschutz zu reden, findet Elbe-Experte Ernst-Paul Dörfler vom Bund f�r Umwelt und Naturschutz (BUND).
"Die momentane Dürre hat ähnliche Ursachen wie das Hochwasser", sagt Dörfler. Damals hätten die Böden das Regenwasser zu schnell in die Flüsse abgeleitet; heute könnten sie es nicht gut genug speichern. Die Ursachen: versiegelte Böden, kaputte Wälder, zu wenig Moore und Flußauen. Daß Hochwasserkatastrophen aus solchen Gr�nden keine bloßen Schicksalsschläge, sondern hausgemacht sind, ist längst bekannt. Bereits im März 1998 legte die damalige Bundesregierung einen Bericht über "Perspektiven für eine ökologisch ausgerichtete Hochwasservorsorge" vor. Nur: Passiert ist bisher wenig.
Der BUND drängt die Regierung nun wieder zum Handeln. Am Mittwoch präsentiert die Organisation ihren "Bericht zur Lage der Elbe". Die BUND-Forderungen orientieren sich dabei am Fünf-Punkte-Programm, das die rot-grüne Koalition im Herbst 2002 beschlossen hat. Das Schlagwort lautet "den Flüssen mehr Raum geben". So sollen Deiche, die parallel zu den Flußufern verlaufen, zurückverlegt werden, um Überschwemmungsgebiete zu schaffen. Noch bestehende Flußauen sollen erhalten bleiben.
Diese Erkenntnisse in die Tat umzusetzen, ist bisher vor allem an den Bundesländern gescheitert. Flußpolitik ist Ländersache; der Bund kann nur Rahmengesetze vorgeben. Der Umweltverband World Wide Fund for Nature (WWF) fordert deshalb, daß die Länder bei der Hochwasservorsorge Kompetenzen an den Bund abgeben, denn: Landespolitik endet an der Landesgrenze - Flüsse nicht.
"200 Jahre lang sind die Flüsse ausgebaut worden, um sie schiffbar zu machen und Land zu gewinnen", sagt Ernst-Paul Dörfler vom BUND. Nun sei ein Rückbau gefragt. Dagegen liefen nicht zuletzt die Landwirte Sturm, denn um Deiche zurückzuversetzen, wie es auch die Bundesregierung will, müssen Ackerflächen geopfert werden. Mit seinem geplanten Hochwassergesetz will Bundesumweltminister Trittin die Länder strenger in die Pflicht nehmen. Im Herbst soll es verabschiedet werden.
Doch auch auf Bundesebene ist es schwierig, einvernehmliche Lösungen zu finden. Beispiel: der Bundesverkehrswegeplan, den Verkehrsminister Manfred Stolpe Anfang Juli vorgestellt hat. Es müßten Lehren aus der Hochwasserkatastrophe gezogen werden", heißt es darin. Diese Lehren bestehen darin, von besonders problematischen Flußprojekten abzusehen: "Keine Staustufen an der Donau! - "Kein weiterer Ausbau der mittleren Elbe!" - "Keine Staustufen an der Saale!" Doch zugleich unterstützt der Plan auch zahlreiche neue Bauvorhaben. Main, Unterelbe und Unterweser sollen f�r die Schiffahrt weiter vertieft werden.
So bemüht sich das Verkehrsministerium zwar um einen umweltverträglichen Hochwasserschutz, vorrangig aber fördert es die gleichfalls als umweltfreundlich geltende Binnenschiffahrt. Verkehrsplanung und Umweltschutz kommen sich dadurch in die Quere, umweltfreundlich ist die Binnenschiffahrt nämlich nur bedingt. Die Flüsse den Schiffen anzupassen, geht zu Lasten der Natur - und läuft im Zweifelsfall dem Hochwasserschutz zuwider. BUND-Verkehrsexperte Tilmann Heuser fordert deshalb, daß ökologische Argumente Vorrang haben sollen. Entsprechende Vorgaben sollten Bund Länder und Kommunen gemeinsam in sogenannten "integrierten Flußkonzepten" ausarbeiten. Eine ähnliche Idee haben Abgeordnete von Grünen und SPD Anfang Juli im Bundestag eingebracht. Wer die Umweltmaßnahmen finanzieren soll, bleibt dabei allerdings offen.
Rund neun Milliarden Euro kostete die
Hochwasserkatastrophe vom vergangenen August. Die Spenden flossen
reichlich. Ein Zehntel der Summe, rechnet Hochwasser-Experte Emil
Dister vom WWF vor, würde ausreichen, um entlang der Elbe genügend neue
Überflutungsflächen zu gewinnen.
Von Claus-Dieter Steyer
Fürstenberg. Sie ist 356 Kilometer lang, und an ihren Ufern gedeihen Pflanzen und Tierarten, die anderswo vom Aussterben bedroht sind: die Havel. Vor allem im nördlichen und nordwestlichen Brandenburg schwärmen Wassertouristen von der Schönheit und Vielfalt der Havellandschaft. Aber die ist bedroht. Deshalb haben die "Naturfreunde Deutschlands" die Havel jetzt zum "Fluß des Jahres" gekürt. Die Schirmherrschaft hat das Bundesumweltministerium.
Die preisgekrönten Vorgänger der Havel, die Gottleuba bei Dresden und der Ilz im Bayerischen Wald, waren kleine Flußläufe, so daß die Ehre f�r die Havel doch überraschend kommt. Für die Auszeichnung haben die Brandenburger Mitglieder des Vereins gekämpft, denn "die Havel ist wie kaum ein anderer Strom Deutschlands in Gefahr", sagt Helmut Horst, von den einheimischen "Naturfreunden Deutschlands".
Sorgen bereitet den Havelfreunden das Projekt "Deutsche Einheit 17", das den Ausbau der Wasserwege zwischen Wolfsburg, Magdeburg und Berlin für große Rheinschiffe vorsieht. Gerade für die Strecke zwischen Berlin, Potsdam und Brandenburg hätte dieser Eingriff gravierende Folgen f�r Flora und Fauna, sagt Horst. Gegen den Ausbau spricht seiner Meinung nach, daß alle Prognosen über den Bedarf an vertieften und verbreiterten Wasserstraßen von vor zehn Jahren nicht mehr gültig sind.
Auch die 240 000 Mitglieder im Deutschen Anglerverband haben die Brandenburger Naturfreunde bei ihrem Einsatz f�r die Havel unterstützt. Das ganze Jahr über soll entlang des Flusses auf die Gefahren durch den geplanten Havel-Ausbau aufmerksam gemacht werden. Ein Höhepunkt ist das Wasserfest in Fürstenberg vom 9. bis 11. Juli.
"Da Brandenburg unter Trockenheit leidet, muß das wenige Wasser möglichst lange in der Landschaft gehalten werden", sagt Helmut Horst. "Jeder Ausbau läßt das Wasser schneller abfließen." Schon daher müßten die Baupläne gestoppt werden. Sie sehen eine Vertiefung der Havel von jetzt 3,10 auf vier Meter vor. Die Verkehrsministerien des Bundes und des Landes haben das Vorhaben trotz der massiven Kritik von Umweltverbänden noch nicht aufgegeben.
Auch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten befürchtet durch den höheren Wasserstand Schäden an Gebäuden in und um Potsdam. Im größten Teil ihres Weges vom mecklenburgischen Quellgebiet unweit der Müritz bis zur Mündung in die Elbe unterhalb von Havelberg hat der Fluß seinen durch die Eiszeit geprägten Verlauf noch bewahrt. Dieser mutet auf der Landkarte recht eigenartig an. Zunächst geht es von der Quelle bei Pieversdorf in südöstlicher Richtung durch Mecklenburg und das nördliche Brandenburg. Nach einer großen Schleife nach Osten wird mit dem Schwielowsee in Werder der südlichste Punkt erreicht. Der Umweg �ber Berlin ist natürlich nicht umsonst. Hier nimmt sie die Spree auf, die 60 Prozent der durchschnittlichen Wassermenge liefert.
Nur 90 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der Quelle und der Mündung. Auch das geringe Gefälle von 39 Metern macht die Havel zu einem ungewöhnlichen Fluß.