Untergang von Dörfern durch den Braunkohleabbau


Zitat aus der Der Tagesspiegel, 21. November 1999, S.18:

Horno: Ein Dorf stirbt in Schönheit

Von Kohlebaggern bedroht, Wettbewerb gewonnen

Von Christian van Lessen

"Wir werden dafür weiterkämpfen, daß Horno nicht als 78. Niederlausitzer Dorf abgebaggert wird", rief Ortsvorsteher Bernd Siegert unter starkem Beifall. Es war am Gedenktag der abgebaggerten sorbischen Dörfer im Juni. Die Stimmung war kämpferisch und ziemlich schlecht. Rund 300 Dörfler - es waren vor einiger Zeit noch 50 mehr - sollen laut Brandenburger Energiegesetz und Verfassungsgerichtsurteil bis Ende 2002 dem Braunkohletagebau Jänschwalde weichen, der das gleichnamige Kraftwerk mit Kohle versorgt. Nun ist die Stimmung noch kämpferischer, aber auch besser geworden.

Horno ist zwar längst nicht gerettet, hat aber eine Trumpfkarte gezogen: Es ist zu einem der schönsten Dörfer im Spree-Neiße-Kreis gekürt worden, belegte nach der Gemeinde Proschim den zweiten Platz im Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden". Sechs Gemeinden hatten sich um den Titel beworben.

Ausgerechnet das kleine Horno zwischen Cottbus und Guben belegte eine Spitzenplatz. Ausgerechnet jener todgeweihte Ortsteil von Jänschweide, der - gäbe es noch die DDR - vermutlich schon längst von der Landkarte verschwunden wäre. Seit 1989 steht der Kohlebagger wenige Kilometer vorm Ortsschild. 1996 hätte der Tagebau mit vielen tausend Arbeitsplätzen das Dorf verschluckt, es verstand sich zu wehren; die Hornoer, die mit der Wende auf Rettung gehofft hatten, kämpfen bis heute.

Dazu gehörte, daß der Ort ständig schöner gemacht wurde. Im Vergleich zu den Nachbarorten sind die Straßen und Vorgärten sehr gepflegt, auf dem Dach der Gemeindeverwaltung arbeiten Solarzellen, fast überall wurden Mauern gestrichen, Dächer gedeckt. Das Kopfsteinpflaster versah man stellenweise mit einer Bitumendecke. Die Vereine zeigen sich aktiv, es gibt Läden, zwei Kneipen, sogar ein Museum für Agrargeräte - kurz: ein funktionierendes Dorfleben. Beste Voraussetzungen, am Wettbewerb teilzunehmen, der schon im alten Bundesgebiet Tausende von Dörfern zu Schönheitskuren veranlaßte. Mit dem Titel läßt sich trefflich werben.

Daß ein schönes Dorf auch eine schöne Zukunft haben muß - am selben Ort und nicht im Raum Forst wiederaufgebaut - in Horno besteht daran kein Zweifel. Jetzt, wo das Dorf einen Preis hat, der das Ergebnis einer Kraftanstrengung ist, darf es nicht versinken, sagen die Dörfler, die es hier gehalten hat, die um keinen Preis umziehen wollen, die nicht ihre Grundstücke an die Lausitzer Braunkohle AG verkauften. Proschim, der erste Preisträger, versinkt ja auch nicht. Der Tagebau Welzow-Süd führt knapp am Ort vorbei, der es glücklicher getroffen hat als Horno und seiner Bedrohung am Ortsrand.

In dessen Sichtweite dampfen die Kühltürme des Großkraftwerkes Jänschwalde. Dort sollen die 250 Millionen Tonnen Kohle, die unter dem Dorf liegen, verfeuert werden. Damals unterschrieb die Mehrheit der Dorfbewohner ein Protestschreiben an Erich Honecker, forderte einen Stopp der Bagger.

Bisher scheiterten die Gerichtsklagen der Hornoer und des Sorbenverbandes Domowina gegen die Umsiedlung, die der Landtag in Potsdam 1997 beschlossen hatte. Derzeit läuft noch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Mit Horno sei eines der letzten sorbischen Dörfer bedroht, hatte der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch, am Gedenktag im Juni betont. Aber der Kohletagebau und die Kraftwerke gelten als einzig verbliebene Stützen der Lausitz, Arbeitslosenquoten bis zu 30 Prozent sind in der Potsdamer Landesregierung Argumente gegen das keine Dorf. Auch wenn es noch so schön geworden ist.


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