Landesvertretung Akademischer Mittelbau (LAMB)
Vorstand der Vertretung des Akademischen Mittelbaus Berlin (LAMB)
Sprecherin: Anette Simonis (FU)
Stellvertretende Sprecherin: Gabriele Küttner (HU),
Petra Jordan (TU), Klaus Thiele (TU), Wolfgang Maaz (FU), Irmela Hähnert (HU), Peter Witte (HU)
Februar 2001
Die Priorität für Bildung und Wissenschaft wird in Berlin und an vielen anderen Orten in der Republik hervorgehoben. Von allen Parteien werden Schulen und Hochschulen zur Verbesserung der Ausbildung, zur Vermehrung der Absolventenzahlen, zur Verkürzung des Studiums, zur intensiveren Studierendenbetreuung, zur Erhöhung der Forschungsleistungen etc. aufgefordert und Gelder dafür in Aussicht gestellt. Leider bleiben diese Finanzzusagen meist Lippenbekenntnisse mit dem Hinweis auf die prekäre finanzielle Situation vieler Bundesländer und insbesondere Berlins. Das hat nach vielen Jahren des Sparens zur Folge, dass wir unsere größte Ressource, intellektuelles Potential, verschwenden, da die finanzielle Unterstützung für das Erreichen der oben genanten Ziele ausbleibt.
Hochschulen sind ein öffentliches Gut und haben einen gesellschaftlichen Auftrag. Sie müssen mit ihren finanziellen Mitteln effizient wirtschaften, aber sie können nicht wie Unternehmen profitbringend arbeiten. Wenn unsere Gesellschaft meint, mehr und besser ausgebildete Absolventen und Absolventinnen sowie lebenslanges Lernen zu brauchen, dann muss sie ihre eigenen Institutionen dazu befähigen, diesen Forderungen gerecht zu werden.
Im November 2000 hat der Senator in einer Pressemitteilung die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes in dieser Legislaturperiode angekündigt und "Eckpunkte" zu dieser Änderung vorgelegt. Zu einigen dieser Eckpunkte nimmt die LAMB die folgenden Standpunkte ein:
Wir halten einen Landeshochschulrat für überflüssig. Derartige Expertengremien sind sehr schwer mit fachkompetenten Personen zu besetzen, die das nötige Engagement und die notwendige Zeit für die Belange der Hochschulen aufbringen können. Da sie Reisekosten und Aufwandsentschädigung sowie spezielle Geschäftsstellen erfordern, sind sie sehr kostenintensiv.
Wir halten den Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses für den geeignetsten "Landeshochschulrat". Der Wissenschaftsausschuss ist in der Lage, sich zu Einzelproblemen Expertisen einzuholen und punktuelle oder dauernde Beratergremien einzusetzen.
Es wird Zeit, dass die Abgeordneten sich als Legislative und damit als Entscheidungsinstanz begreifen und der Exekutive die Beschlussausführungen übertragen.
Für die Hochschulräte gilt im Prinzip das gleiche wie für den Landeshochschulrat. Wir halten in den Kuratorien oder Hochschulräten die Mitgliedschaft von Abgeordneten und gewählten Vertretern oder Vertreterinnen der vier Statusgruppen für unverzichtbar. Wir halten aber auch kleinere Gremien als die bisherigen Kuratorien für arbeitsfähiger. Nach unserer Meinung hat sich die Beteiligung anderer, gesellschaftlicher Gruppen in den Hochschulkuratorien bewährt.
Hierzu siehe auch Punkt II.
Die Einführung neuer Studiengänge, parallel zu den bestehenden Diplom-, Magister- und Staatsprüfungen ist nicht kostenneutral erreichbar. Für diese neuen Studiengänge werden zusätzliche und spezifische Lehrangebote mit dem entsprechenden Lehrpersonal erforderlich. Insbesondere ist die Akkreditierungspflicht finanziell für die Hochschulen nicht tragbar. Die derzeitigen Akkreditierungsgebühren schwanken je nach Agentur zwischen DM 50.000,-- und DM 150.000,--, was bei Hochschulen mit vielen Studiengängen bald Millionenbeträge erreichen kann. Die Akkreditierungspflicht sollte also in der von der KMK geforderten Form aufgehoben werden. Die Qualität und Nachfrage der neuen Studiengänge wird sich, wie bisher auch, durch den Erfolg der Absolventen und Absolventinnen auf dem Arbeitsmarkt erweisen.
Die Einführung von Studiengebühren (auch nach dem 4. Semester über der Regelstudienzeit) wird von uns abgelehnt. Solange die Universitäten und Fachbereiche nicht in der Lage sind, für alle Studierenden lückenlos das erforderliche Lehrangebot entsprechend den Studien- und Prüfungsordnungen anzubieten, können keine Studiengebühren erhoben werden. Eine Regelung für Teilzeitstudierende fehlt außerdem vollständig. Darüber hinaus werden durch solch eine Regelung z.B. Studierende mit Kindern und ausländische Studierende unzumutbar benachteiligt. Um Studienzeiten zu verkürzen, halten wir es für sinnvoller, gezielte Beratung und Mentorenprogramme oder ähnliches anzubieten.
Weiterbildungsgebühren dürfen nach unserer Meinung nicht verpflichtend festgeschrieben werden. Es muß den Hochschulen nach wie vor möglich sein, ihrem gesellschaftlichen Auftrag nachzukommen und Weiterbildungsangebote für eine allgemeine Öffentlichkeit kostenlos anzubieten. Die Hochschulen müssen selber entscheiden könne, welche kostenpflichtigen Weiterbildungen sie anbieten.
Die Grundordnungen der Hochschulen müssen demokratisch legitimiert sein durch die Beteiligungen aller Mitgliedergruppen und dürfen keinesfalls von den Präsidien dekretiert werden.
Im Akademischen Senat dürfen nach unserer Meinung die Dekaninnen und Dekane kein Stimmrecht erhalten. Eine Vermischung von Legislative und Exekutive schafft die Kontrollfunktion des AS ab und behindert gesamtuniversitäre Planung und Entwicklung.
Der AS würde sonst zu einer "Delegiertenkonferenz", bei der jeder Delegierte und jede Delegierte ein Maximum für den eigenen Bereich herauszuholen versucht.
Mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen (BA/MA) sollen die Vereinbarungen der EU-Kultusminister von Paris (Sorbonne) 1998 und Bologna 1999 zur europäischen Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen umgesetzt werden. Die Bundesrepublik hat sich darin verpflichtet, international vergleichbare, mindestens 2-stufige Abschlüsse einzuführen. Schon der erste Abschluss soll eine "für den europäischen Arbeitsmarkt relevante Qualifikationsebene" darstellen. Gleichzeitig sollen neue internationale Studiengänge eingerichtet und die internationale Vergleichbarkeit von Studienleistungen erreicht werden. Implizites Ziel dieser Politik ist eine Reform der Studiengänge, die zur Verkürzung der Studiendauer und einer Verringerung der Abbrecherquoten führen soll.
Die Debatte über die prinzipielle Einführung von BA/MA scheint entschieden. Die Einführung neuer Studiengänge und -abschlüsse an Universitäten und Fachhochschulen hat begonnen.
Die Diskussion wird momentan hauptsächlich um folgende Fragen geführt: 1. Parallele Einführung von BA und/ oder MA in allen Fächern 2. Aufbau der Studiengänge 3. Modularisierung 4. Akkreditierung 5. Kostenneutralität
Unsere Positionen dazu:
Parallele Einführung von BA und/ oder MA in allen Fächern
- National und international anerkannte Diplom- und Magisterstudiengänge und -abschlüsse sollen bestehen bleiben.
- Bei der Einführung von BA/MA müssen die Studiengänge und
-abschlüsse wissenschaftlich orientiert sein, um qualifizierten
wissenschaftlichen Nachwuchs zu erhalten.
- Die Vielfalt neuer Berufsfelder soll ihre Entsprechung in
vielfältigen Studiengängen und -abschlüssen finden. Sowohl die
Kombinationsmöglichkeiten der Fächer als auch die Länge des Studiums
sollen variabler werden.
- Die Forderung von flächendeckender Einführung von BA/MA und die
gleichzeitige Aufrechterhaltung des staatlichen Prüfungsmonopols ist
widersinnig. Daher sollte die Abschaffung der Staatsprüfungen
diskutiert werden.
- Eine Verschulung des Studiums durch
BA/MA aufgrund der geforderten internationalen Vergleichbarkeit bezogen
auf Inhalt und Leistung des Studiums an verschiedenen Universitäten
scheint unvermeidlich. Dies widerspricht einem wissenschaftlichen
Studium und der angestrebten Vielfalt in Bezug auf sich verändernde
Berufsfelder.
- Eine Veränderung vieler vorhandener Studiengänge durch bessere
Strukturierung, einen deutlich erkennbaren Studienablauf und
Entrümpelung der Inhalte sind für die Studierbarkeit notwendig.
- Studienbegleitende Prüfungen in neuen gestuften und in herkömmlichen Studiengängen sollten eingeführt und erprobt werden.
- Alle Studiengänge sollen mit einer wissenschaftlichen Arbeit abschließen.
- Die Vergabe von Punkten ( Credit Points) in allen Studiengängen
soll die internationale Vergleichbarkeit und Anerkennung von
Studienleistungen ermöglichen. Sie darf jedoch nicht nur die reine
Anwesenheit zur Grundlage haben.
- Zur Reduzierung der Studiendauer und Abbrecherquote sind u.a.
Studienberatung, Mentorenprogramme zu verstärken bzw. einzuführen.
- Weiterführende Studiengänge zur Förderung wissenschaftlicher
Qualifikation oder im Sinn des lebenslangen Lernens, nach Phasen der
Berufstätigkeit oder Erziehungsurlaub, sollen eingerichtet werden.
- Die Modularisierung der Studiengänge setzt u.a. die Klärung voraus, was ein Modul umfasst, in welchem Zeitraum ein Modul studiert wird, ob aufeinanderaufbauende Veranstaltungen angeboten werden oder ob jeder Teil für sich belegbar sein kann.
- Akkreditierung allein bietet keine Gewähr für die Qualität eines Studiengangs.
- Die in Deutschland bisher vorgesehenen
Akkreditierungsinstitutionen gewährleisten bestenfalls eine nationale
Anerkennung. Die Akkreditierungskosten v.a. bei international
anerkannten Institutionen sind jedoch so hoch, dass sie von den
Universitäten oder Fachbereichen bei der derzeitigen Finanzlage nicht
zu bezahlen sind. Daher ist die Akkreditierung generell in Frage zu
stellen.
- Kostenneutralität ist nicht möglich, wenn die parallele Einführung von BA und MA in allen Fächern neben den momentan vorhandenen Studiengängen erfolgen soll und die Akkreditierung zwingend vorgeschrieben wird. Die Erhöhung der Zahl der Lehrveranstaltungen und der Verwaltungsaufwand machen mehr Personal erforderlich.
Im September 2000 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein Konzept für die Reform des Dienstrechts an den Hochschulen vorgestellt, das weitgehend an den Empfehlungen der hierfür einberufenen Expertenkommission anknüpft.
Aus unserer Sicht ist eine Reform der Personalstruktur und des Dienstrechts an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen dringend erforderlich. Von daher ist der Vorstoß des Bundesministeriums grundsätzlich zu begrüßen, der allerdings aus unserer Sicht wichtige Bereiche außer Acht lässt.
Aus dem vorgelegten Papier kann eindeutig geschlossen werden, dass der Erwerb der Promotion fast nur noch in Graduiertenkollegs oder Promotionsstudien auf Stipendienbasis erfolgen soll. Unsere Meinung nach sollte die Promotion in der Regel in ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen erfolgen, denn sowohl zur Aufrechterhaltung als auch zur Weiterentwicklung von Lehre und Forschung sind wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin unerlässlich.
Für Stipendiaten, die keine Angestellten der Hochschulen sind, wird überdies der Zugang zu Apparaturen und Laboratorien erschwert bis behindert. Auch hier stellt sich die Frage, woher die für die Stipendien benötigten Gelder kommen sollen und wer die Programme betreut.
Wir fordern eine Grundausstattung für den gesamten akademischen Mittelbau und das Recht auf eigenständige Forschung und Lehre, wie es das Grundgesetz garantiert.
Die Einführung der Juniorprofessur, die
ein erster Schritt hin auf die oben angemahnte Eigenständigkeit ist,
wird begrüßt. Die Höchstaltergrenzen sollten entfallen, um die
individuellen Gegebenheiten und Lebensplanungen berücksichtigen zu
können. Dies erscheint nicht zuletzt auch unter der Zielsetzung von
Frauenförderung dringend geboten.
Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren sind allerdings teurer
als die bisher existierenden C1-Stellen und somit nicht kostenneutral
zu erhalten. Im Gegensatz zu diesen haben Juniorprofessorinnen und
-professoren nämlich ein Recht auf Grundausstattung an Sachmitteln und
wissenschaftlichem sowie technisch-administrativem Personal. Das
Konzept gibt dabei keinerlei Auskunft, woher diese zusätzlich
benötigten Gelder und das wissenschaftliche Personal kommen sollen.
An den Hochschulen müssen mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse (Funktionsstellen) zur Erledigung von unbefristeten Daueraufgaben in Forschung, Verwaltung und Lehre für den akademischen Mittelbau geschaffen werden, die eine Berufsperspektive neben der klassischen Laufbahn für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer eröffnen. Solche Beschäftigungsverhältnisse sollten einerseits Juniorprofessorinnen und -professoren nach dem Ablauf der Stellen und andererseits wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach der Promotion offen stehen.
Die Abschaffung der Habilitation ist - auch im Hinblick auf die im internationalen Vergleich geforderte notwendige Verjüngung der Hochschullehrerschaft - schon lange überfällig. Voraussetzung für die Ausübung des Hochschullehrerberufs ist die Promotion und der Nachweis über erbrachte Lehr- und Forschungsleistungen, weitere hierfür relevanten Qualifikationen können z.B. im Rahmen des Juniorprofessuren erworben werden.
Die Einführung von Leistungszulagen sollte nicht nur für Forschung, sondern auch gleichberechtigt für Lehre und (akademische Selbst-)Verwaltung zeitlich befristet erfolgen und nicht an den Status von Professorinnen und Professoren gekoppelt sein. Leistung muss hierbei jedoch für jede Statusgruppe eindeutig definiert sein. Nach unsere Meinung können Impactfaktoren (so auch die Forderung der DFG) und Drittmittel nicht das alleinige Kriterium sein. Es müssen Kreativität und Qualität angemessen berücksichtigt werden.
Für das gesamte Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen - einschließlich Professorinnen und Professoren - sollten Angestelltenverhältnisse den Beamtenstatus ersetzen.
An der Hochschule der Zukunft sollte nur noch "Hochschuldozentinnen und Hochschuldozenten" unterrichten, denn letztendlich zählen Erfolg und Leistung und nicht Titel. Damit sollte der Titel "Professor/Professorin" zusammen mit den dazugehörenden Privilegien wegfallen.