BONN - Im Bundestag gibt es Streit um das größte
Staudamm-Projekt der Welt bei Fulin im Süden Chinas: Bonn bewilligte
nämlich deutschen Firmen rund 500 Millionen DM an Hermes-Bürgschaften
für ihre Mitarbeit an dem Jangtse-Projekt. " Steuergelder werden für
ein riskantes Projekt als Sicherheit verwendet", wettert die
Opposition. Hermes-Bürgschaften sind Garantien der Bundesregierung für
riskante Geschäfte deutscher Unternehmen im Ausland. Wenn jetzt zum
Beispiel Siemens oder andere Firmen einen Millionenauftrag für den
Staudamm erhalten, lassen sie sich zur Sicherheit eine "Hermes" -
Bürgschaft durch die Bundesregierung geben. Wenn China irgendwann nicht
zahlen kann, muß der Steuerzahler einspringen. SPD wie Grüne forderten
die Bundesregierung jetzt auf, die Bewilligung zurückzunehmen. Ingomar
Hauchler (SPD): "Die Finanzierung des Mammut-Projekts ist ungewiß, und
die politischen Risiken sind unbekannt. Hier soll der Traum einer
kommunistischen Führung erfüllt werden - zu Lasten des deutschen
Steuerzahlers." Wolfgang Schmitt (Bündnis 90/Die Grünen): "ökologische
und soziale Bedenken sind kurzfristigen Geschäftsinteressen geopfert
worden." Der Riesen-Staudamm soll bis zum Jahr 2009 entstehen: 17
Gigawatt Leistung erzeugen in 26 Turbinen 84,6 Milliarden
Kilowattstunden Strom pro Jahr.
PEKING, 5. Februar (epd). Für den
umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse-Fluss will China in
diesem Jahr 15,1 Milliarden Yuan (rund 2,1 Milliarden Euro) ausgeben.
Wie die Pekinger Volkszeitung berichtet, sind gut die Hälfte dieser
Summe (8,7 Milliarden Yuan) für die Umsiedlung von Bewohnern im
Staudammgebiet der zentralchinesischen Provinz Hubei vorgesehen.
Insgesamt soll der Damm 180 Milliarden Yuan kosten, von denen 73
Milliarden seit 1993 ausgegeben wurden. Bis 2001 wurden mehr als 418000
Menschen umgesiedelt, 803 Industrieunternehmen und Bergwerksbetriebe
verlegt oder ganz geschlossen. Im Jahr 2002 müssen weitere 143 700
Menschen ihre Häuser verlassen. Sie sollen in andere Provinzen oder in
neu gebaute Orte weiter höher an den Berghängen des Jangtse-Gebietes
ziehen. Insgesamt werden mehr als 1,1 Millionen Menschen ihre Heimat
verlieren.
PEKING, 12. April (dpa). Der umstrittene Drei-Schluchten-Damm am Jangtse- Strom in Zentralchina zeigt wegen schlechter Betonierung schon Risse, die "sorgfältig repariert" werden müssen. Außer der gigantischen Staumauer des größten Wasserkraftwerkes der Welt zeige auch die weltweit größte Schiffsschleuse Risse, ergab nach Berichten der Tageszeitung China Daily vom Freitag eine Inspektion, an deren Ende gefordert wurde, bei dem Bau mehr Wert auf Qualität zu legen. Mit dem Bau war 1993 begonnen worden, in sieben Jahren soll das Wasserkraftwerk fertig sein. Die ersten Generatoren sollen bereits im nächsten Jahr ihre Arbeit nach Abschluss der ersten Bauphase aufnehmen.
"In
den vergangenen drei Jahren war die Betonierung des Projekts nicht
erstklassig, was eine Reihe von Unfällen und Rückschlägen verursacht
hat", schrieb Qian Zhengying, Vizevorsitzende der Konsultativkonferenz
(CPPCC), einem politischen Beratergremium, in dem ungewöhnlich
kritischen Inspektionsbericht. Die seit dem Winter aufgetretenen Risse
seien vor allem durch Temperaturschwankungen entstanden und hätten
"große öffentliche Sorge über die Qualität des Projekts ausgelöst". Der
Generalmanager des Projekts, Lu Youmei, versicherte, nach "notwendiger
Behandlung" dürften die Risse die Qualität und den künftigen sicheren
Betrieb des Kraftwerkes nicht beeinträchtigen.
FULING, im Dezember. In wenigen Monaten wird Bauer Zhang aus Fuling sehen, wie die Felder, die seine Familie seit Generationen bewirtschaftet hat, in den braunen Fluten des Jangtse verschwinden. Sein altes Lehmhaus ist schon abgerissen, ein Gemüsefeld kann er noch einmal abernten, bevor bis zum Juni des kommenden Jahres der Jangtse vom Drei-Schluchten-Staudamm bis zu einer Höhe von 135 Metern gestaut wird. Die letzten Vorbereitungen sind im Gange, bis zum Jahresende soll das riesige Stauseegelände geräumt, gesäubert und fertig für die Überflutung sein.
Die liebliche Flußlandschaft am Jangtse hat sich im Bezirk Fuling in eine Großbaustelle verwandelt. Mit Hacken und Hämmern reißen Tausende von ungelernten Arbeitern - "Mingong", meist Bauern aus der Umgebung - alte Häuser ein. Meere von Ziegelsteinen und Bauschutt bedecken den Straßenrand und zeigen, wo einst Gebäude standen. Planierraupen verschieben die fruchtbare Erde des Flußtales, um neue Straßen anzulegen. An anderen Orten sind die Arbeiter mit bloßen Händen und Schaufeln dabei, Hügel abzutragen. Manche schleppen Steine in großen Körben mit einer Bambusstange auf der Schulter. Auf den höheren Rängen des Flußtales wachsen zwanzigstöckige Hochhäuser. Baufahrzeuge, Fernbusse und Autos quälen sich durch lehmige Straßen an den Baustellen entlang. Heruntergekommene Fabrikgebäude aus der sozialistischen Gründerzeit der fünfziger Jahre warten noch auf den Abriß. Von einigen Plattenbauten sind nur noch die Betongerippe übrig.
Bauer Zhang und seine Familie gehören zu den 458 000 Menschen vom Fluß, die für die zweite Phase des Drei-Schluchten-Projektes umgesiedelt wurden. Er hatte Glück, sein neues Haus liegt nicht weit entfernt vom alten Dorf, weiter oben am Flußufer. Zehntausende anderer Bauern hingegen mußten ihre angestammte Heimat verlassen, 100 000 wurden nach Angaben des Umsiedlungsbüros der Region Chongqing in elf andere Provinzen und Regionen Chinas verschickt - bis in die Hunderte Kilometer entfernte Provinz Jiangxi und an den Stadtrand von Schanghai. Insgesamt müssen bis zur Fertigstellung des Dammes im Jahr 2009 mehr als eine Million Menschen Platz machen für den gigantischen Stausee, der sich 590 Kilometer lang vom Staudamm in Sandouping bis zur flußaufwärts gelegenen Industriemetropole Chongqing erstrecken wird.
Der Drei-Schluchten-Staudamm ist Chinas größtes und umstrittenstes Bauprojekt. Sun Yatsen hat es ersonnen, und Mao Tsetung hat es in einem Gedicht besungen. Der Damm soll der Elektrizitätsgewinnung dienen und die Menschen am Unterlauf des Jangtse vor Überschwemmungen schützen. Kritiker hingegen haben schon früh gewarnt, daß der Hochwasserschutz begrenzt sei, die Gefahren aber, die ein solch gewaltiger Damm mit sich bringt, groß seien. So wird befürchtet, daß die Sedimentierung die Hochwassergefahr am Oberlauf eher vergrößern könnte, und daß der Eingriff in den Jangtse unabsehbare Folgen für das gesamte Ökosystem mit sich bringen könnte.
Doch seit 1992 das Projekt, mit dem die Parteiführer schon lange geliebäugelt hatten, offiziell beschlossen wurde, dürfen Zweifel an dem Sinn des Unternehmens in China offiziell nicht mehr geäußert werden. Der Staudamm ist zum nationalen Prestigeobjekt geworden. Was in demokratischen Ländern unvorstellbar wäre - eine so große Zahl von Menschen planmäßig umzusiedeln, ohne Verzögerungen durch Klagen, Gerichtsverfahren, Proteste - das geht im kommunistischen China. Das Paradeprojekt des Staates hat Vorrang, die Betroffenen wurden nicht gefragt und haben kein Einspruchsrecht. Den Bauern und anderen Umgesiedelten steht eine Entschädigung zu, doch auch darüber läßt sich streiten. Der "Zuschuß zur Umsiedlung", wie das Geld offiziell genannt wird, berechnet sich aus dem Wert und der Größe des Hauses, dem Wert der landwirtschaftlichen Produktion und den Lebensumständen der Familien. Damit liegt vieles letztlich im Ermessen der lokalen Kader, die die Entschädigungen festlegen. Und da die Zuschüsse unterschiedlich ausfallen, gibt es viele Beschwerden über ungerechte Behandlungen, sagt Lang Cheng vom Umsiedlungsamt der Region Chongqing. Die einen beschweren sich, daß die Quadratmeter nicht korrekt berechnet worden seien, die anderen, weil ihre Nahcbarn mehr bekommen hätten. Den Betroffenen werde dann der Berechnungsmodus "erklärt". Geändert wird er nicht.
Bauer Zhang aus Fuling hat für sein altes Lehmhaus und sein Feld eine Entschädigung von 16 000 Yuan (etwa 2000 Euro) erhalten. Dabei hat ihn das dreistöckige neue Steinhaus, mit drei Zimmern und einem Schweinestall, 40 000 Yuan gekostet. Die Differenz habe man aus Erspartem bezahlt, sagt Frau Zhang. Die Familie verfügt über zusätzliche Einfünfte, denn die beiden erwachsenen Töchter arbeiten in der Stadt und verdienen besser als die Eltern auf dem Land. Bauer Zhang hat ein Jahreseinkommen von nur 6000 Yuan (etwa 750 Euro). Landwirte, die nichts gespart haben, müssen oft Bankkredite aufnehmen oder sich bei Verwandten Geld leihen für die neuen Häuser.
Gelegentlich regt sich bei den Umsiedlern Widerstand. Er wird mit harter Hand niedergehalten. Die wenigsten Protestaktionen werden bekannt. Es geht um viel Geld bei der Umsiedlung, und vieles kommt nicht an, wo es ankommen soll. Im vergangenen Jahr hat eine Gruppe von Bauern aus Gaoyang sich über Unterschlagungen und Unregelmäßigkeiten beschwert. Die lokalen Behörden hatten gegenüber dem Umsiedlungsamt mehr Umsiedler als tatsächlich angegeben, um mehr Geld zu erhalten und schließlich einen Teil des für die Umsiedler bestimmten Geldes zu unterschlagen. Die Sprecher der Bauern wurden festgenommen und angeklagt. Das sei Störung der öffentlichen Ordnung und des sozialen Friedens, sagt Lang Cheng vom Umsiedlungsamt. Die ganze Sache habe nichts mit der Umsiedlungsaktion zu tun. "Unsere Bestimmungen sind klar, die Bauern müssen sich daran halten."
Lang Cheng gibt zu, daß es "kleinere Fälle" von Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Es sei vorgekommen, daß die örtlichen Behörden Mittel falsch eingesetzt oder Land nicht verteilt, sondern für andere Zwecke genutzt hätten. Nie sei es jedoch um die Zuschußzahlungen für die Umsiedler gegangen. "Wir wissen, daß die Frage der Zuschußzahlungen wie eine Hochspannungsleitung ist, man darf sie nicht anrühren." Generell wird im Durchschnitt pro Umsiedler mit einer Summe von 30 000 Yuan gerechnet. Jene, die in weiter entfernte Provinzen umziehen mußten, bekamen noch eine Zulage von 5000 Yuan.
Was der Mann vom Umsiedlungsamt abstreitet, hat die Zentralregierung schon zugegeben: Umsiedlungsgelder wurden in großem Ausmaß unterschlagen und für andere Zwecke mißbraucht. Im Jahr 2000 gab die Regierung zu, daß Geld im Wert von 600 Millionen Dollar verschwunden sei, das entspricht zwölf Prozent des Budgets für die Umsiedlung. Seither mahnt die Pekinger Führung auf ihren vielen Inspektionsreisen ins Staudammgebiet, die Umsiedlung sei das Herzstück des Projektes und müsse den Bestimmungen entsprechend vollzogen werden.
Die Regierung will die Gelegenheit des Dammbaus nutzen, um die Wirtschaftsstruktur der Region zu verbessern. Wenn der Damm und der Stausee fertig sind, werde die ganze Region, die bislang wirtschaftlich unterentwickelt ist, für Investoren interessant, glaubt Lang Cheng. Zum Beweis führt er an, daß bereits in den letzten Jahren die Wirtschaftskraft der Region um mehr als das Doppelte gestiegen sei. Ein Stadtfunktionär von Fuling äußert sich begeistert darüber, daß die Immobilienpreise in der Stadt schon gestiegen seien. Der Verdacht drängt sich auf, daß die lokalen Funktionäre mehr am schnellen Geld mit Immobilienspekulation als an nachhaltiger Entwicklung und am Wohlergehen der Bevölkerung interessiert sind. Die Stadt Fuling hat einen großen Teil des Umsiedlungsgeldes für den Bau eines mehrere Kilometer langen Deiches ausgegeben, damit man teures Bauland am Flußufer gewinnt und einen Hafen anlegen kann. Auch die letzten Reste der Altstadt, die noch aus der Song-Dynastie stammte, wurden abgerissen. Statt dessen baut man am oberen Flußtal Hochhäuser.
Mit der Frage der Umsiedlung hat man sich, da sie schon halb vollzogen ist, inzwischen abgefunden. In der chinesischen Öffentlichkeit hat jetzt ein anderes Thema große Aufmerksamkeit gefunden, das in der Anfangsphase des Dammbaus kaum beachtet wurde: die Sauberhaltung des Jangtse-Wassers. Es besteht die Gefahr, daß der riesige Stausee zu einer gewaltigen Kloake und Mülldeponie wird. Schon jetzt ist der Jangtse stark verschmutzt. Am Oberlauf ist es Erde, die durch die immer schlimmer werdende Erosion in den Fluß getragen wird. Im Mittellauf des Flusses, der dicht besiedelt ist, werden industrielle und städtische Abwässer ungeklärt in den Fluß geleitet. Überall am Flußufer liegt Müll, sagt Lu Wei, ein chinesische Umweltaktivist, der den ganzen Jangtse ablaufen ist, um ein Umweltbewußtsein bei der Bevölkerung zu wecken. Wenn der Fluß gestaut wird, werden sich Abwässer und Müll im Stausee sammeln.
Die Zentralregierung hat die Schwierigkeit jetzt erkannt und zusätzlich 39,2 Milliarden Yuan (etwa 4,22 Milliarden Euro) für Umweltschutzvorkehrungen in den nächsten sieben Jahren bereitgestellt. Im Staudammgebiet sollen jetzt Klärwerke und Müllentsorgungsanlagen entstehen. Lu Wei ist dennoch skeptisch. Die Kläranlangen kosten viel Geld, und es ist kaum möglich, innerhalb kürzester Zeit alle Abwässer an dem 590 Kilometer langen Stausee und auch am Oberlauf zu reinigen.
Bevor
das Wasser im kommenden Jahr langsam auf die Marke von 135 Metern
angestaut wird, muß auch das Flußtal noch gesäubert werden. 300 000
Quadratmeter öffentliche Toiletten, 40 000 Gräber, 4000 Krankenhäuser,
Schlachthäuser und andere Gebäude, die giftige Materialien bergen,
werden überflutet. Die alten Abwasserkanäle und Toiletten müssen
desinfiziert, giftige Substanzen aus den alten Fabriken entsorgt
werden. In diesen Tagen hat man 200 Tonnen Gift ausgelegt, um die
Ratten am Flußufer zu töten. Diese Ratten, so heißt es, würden, wenn
das Wasser steigt, weiter nach oben ausweichen und in die menschliche
Behausungen eindringen. Das Gift habe nur minimalen Einfluß auf die
Umwelt. Wenn im März die große Inspektion des Stauseegebiets durch die
Beauftragten der Zentralregierung stattfindet, werden sie nicht durch
Ratten gestört werden.